Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.2.2020, Az. XI ZR 196/19, zur Bankenhaftung wegen Schadensersatz für Falschberatung: Prospektübergabe im Unterschriftstermin ist zu spät

Erneut hat sich der Bundesgerichtshof mit einer Klage eines Anlegers gegen eine Bank auf Schadensersatz befasst und eine sehr verbraucherfreundliche Entscheidung mit seinem Beschluss vom 18.2.2020 zum Aktenzeichen XI ZR 196/19 getroffen. Der Anleger hatte der Bank vorgeworfen, dass diese ihn nicht umfassend über die wesentlichen Umstände von drei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften als Unternehmensbeteiligungen aufgeklärt hatte. Im Zentrum stand der Vorwurf, dass die Bank den Anleger nicht über die personellen und gesellschaftlichen Verflechtungen zwischen verschiedenen natürlichen Personen und den Gesellschaften auf der Anbieterseite aufgeklärt hat. Dies ist aber zwingend erforderlich, damit ein Anleger eine faktenbasierte bewusste Entscheidung treffen kann, ob er die betreffende Kapitalanlage zeichnen möchte oder nicht.

Bank muss personelle und gesellschaftliche Verflechtungen bei Kapitalanlagen offenlegen

Berät eine Bank ihren Kunden zur Beteiligung an einer Fondsgesellschaft, also zu einer Kommanditbeteiligung, muss sie die Kapitalanlage im Vorfeld gründlich prüfen und den Kunden im Rahmen des Anlageberatungsvertrages insbesondere zu den personellen, finanziellen und gesellschaftlichen Verflechtungen zwischen verschiedenen natürlichen Personen und den Gesellschaften auf der Anbieterseite ausführlich informieren. Im streitgegenständlichen Fall bestanden die Verflechtungen zwischen den  persönlich haftenden Gesellschaftern der Fondsgesellschaft, den Gründungskommanditisten, dem Prospektherausgeber, dem Eigenkapitalvermittler und dem Treuhänder und dem Berater bei der Durchführung des jeweiligen Fonds, welche alle wesentliche Aufgaben bei der Umsetzung des gesamten Vorhabens inne hatten. Im vom Bundesgerichtshof neu entschiedenen Fall waren es einige natürliche Personen gewesen, welche in allen Gesellschaften auf der Anbieterseite  die Funktionen untereinander verteilt hatten und welche somit die gesamte wirtschaftliche Kontrolle über das Geschehen in den Fonds hatten. Branchenübliche Risikoverteilungs- und Kontrollfunktionen zum Schutz der Anleger bestanden somit praktisch von Anfang an nicht.

Prospektübergabe im Unterschriftstermin reicht nicht

Die Beweisaufnahmen der Untergerichte Landgericht Traunstein und Oberlandesgericht München hatten den Vortrag des Anlegers zum Gegenstand gehabt, dass die zwei Mitarbeiter der beklagten Bank bei der mündlichen Beratung zu den insgesamt drei Fondsbeteiligungen nicht auf die personellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen auf der Anbieterseite sowohl bei der Emission als auch bei der gesamten Durchführung der angebotenen Unternehmensbeteiligungen hingewiesen haben. Obgleich Informationen zu den Verflechtungen in den Emissionsprospekten enthalten waren, hatten die Bankberater diese nach dem Vortrag der Klägerseite in der mündlichen Bankberatung nicht erwähnt. Die Beratung war nach dem Klägervortrag vielmehr anhand einer standardisierten Beratungs-Checkliste der Bank erfolgt, in der das Thema „Verflechtungen“ nicht enthalten war. Der Bundesgerichtshof stellt in der Entscheidung vom 18.2.2020 zum Aktenzeichen XI ZR 196/19 klar, dass eine Berufung der Bank auf das Mitgeben des Verkaufsprospektes im Anschluss an die Unterzeichnung der Beitrittserklärung die Schadensersatzpflicht nicht abwenden kann: „Voraussetzung einer ausreichenden Information des Anlegers ist aber, dass ihm der Prospekt so rechtzeitig vor der Anlageentscheidung übergeben wird, dass er sich mit seinem Inhalt vertraut machen konnte (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 20 f. mwN und vom 26. Februar 2013 XI ZR 345/10, BKR 2013, 283 Rn. 33). Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde der Prospekt dem Kläger frühestens bei dem Beratungsgespräch, in dessen Verlauf er auch die Anlage zeichnete, übergeben. Diese Übergabe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zeichnung der Beteiligungen erfolgte wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat nicht so rechtzeitig vor der Anlageentscheidung, dass sich der Kläger mit den umfassenden Prospekten vertraut machen konnte.“

Hohe Gefahr der Interessenkollisionen bei Verflechtungen in Fondskonstruktionen

Der Beschluss vom Bundesgerichthof vom 18.2.2020 zum Aktenzeichen XI ZR 196/19 betont die hohe Gefahr von Interessenkollisionen bei Fonds und fasst die Bedeutung der richtigen und umfassenden Beratung insbesondere im Bereich von Verflechtungsgefahren treffend zusammen wie folgt: „Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Ur-teile vom 6. Oktober 1980 II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 345, vom 10. Oktober 1994 II ZR 95/93, WM 1994, 2192, 2193, vom 7. April 2003 II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088 und vom 19. November 2019 II ZR 306/18, WM 2020, 169 Rn. 8 sowie Senatsurteile vom 24. April 2007 XI ZR 340/05, WM 2007, 1257 Rn. 16 und vom 21. September 2010 XI ZR 232/09, WM 2010, 2069 Rn. 29) ist der Anleger über wesentliche kapitalmäßige und personelle Verflechtungen zwischen den Gesellschaftern und den Unternehmen, in deren Hand die Gesellschaft die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, zu informieren. Denn zu einem richtigen Bild über die beabsichtigte Beteiligung gehört auch die Kenntnis davon, dass die Gestaltung der Beteiligung die konkrete Gefahr von Sondervorteilen zulasten der Beteiligungsgesellschaft birgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2013 II ZR 43/12, juris Rn. 9 und vom 7. Juli 2015 II ZR 104/13, juris Rn. 3 sowie Urteil vom 19. November 2019 II ZR 306/18, WM 2020, 169 Rn. 10). Derartige Verflechtungen begründen entgegen der Ansicht der Beschwerdebegründung die Gefahr einer Interessenkollision auch zum Nachteil der im Rahmen einer Unterbeteiligung beitretenden Gesellschafter. Denn gerade die kapitalmäßigen oder personellen Verflechtungen einer Treuhandkommanditistin können eine Interessenkollision zum Nachteil der Anleger hervorrufen. Der einzelne Anleger kann deshalb erwarten, dass er über diesen Sachverhalt aufgeklärt wird, damit er drohende Gefährdungen seiner Interessen erkennen und in Kenntnis dieses Risikos seine Entscheidung treffen kann.“

Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof den Fall zurückverwiesen, weil im Rahmen einer weiteren Beweisaufnahme noch letzte offene Fragen zum Inhalt des mündlichen Beratungsgespräches in der Bank zu klären sein werden. Haben Sie Fragen zum Thema Bankenhaftung,  Anlageberaterhaftung oder Finanzvermittlerhaftung? Wollen Sie wissen, welche Rechte auf Schadensersatz Ihnen zustehen, wenn die Beratung oder Vermittlung beim Erwerb einer Fonds-Beteiligung nicht alle wesentlichen und für die Anlageentscheidung erheblichen Fakten umfasst hat und wenn insbesondere auch die Risiken von personellen und finanziellen Verflechtungen nicht  transparent und vollständig erläutert worden sind?

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